Samuel Fitwi im Interview

Was zählt, ist nicht der Start – sondern wie weit man kommt
Menschen aus Rheinland-Pfalz: Samuel Fitwi – Deutscher Rekordhalter im Marathon
Samuel Fitwi (29 Jahre) hat eine außergewöhnliche Reise hinter sich: vom jungen Flüchtling aus Eritrea, der unter schwierigsten Bedingungen floh, bis hin zum schnellsten Marathonläufer Deutschlands. Früh gefördert vom Silvesterlauf Trier e. V., einem langjährigen treuen Sponsoringpartner von Lotto Rheinland-Pfalz, entwickelte er sich vom Flüchtling zum Rekordhalter. Seine Geschichte ist ein eindrucksvolles Beispiel für Mut, Durchhaltevermögen und den Glauben an die eigenen Träume. Wir führten ein Interview mit einem Menschen, der einst lief, um zu überleben – und heute läuft, um zu inspirieren.
Wie geht es dir aktuell, körperlich wie mental?
„Mir geht’s wieder gut, sowohl körperlich als auch mental. Der Marathon in Sydney liegt zwei Wochen zurück, und davor war der Druck ziemlich hoch. Ich hatte große Hoffnungen auf eine starke Platzierung und eine gute Zeit, doch das Rennen lief nicht wie erhofft. Zeit und Ergebnis waren enttäuschend. Inzwischen habe ich das verarbeitet, neue Kraft gesammelt und bin wieder voll motiviert im Training.“
Du bist aktuell der schnellste deutsche Marathonläufer aller Zeiten, wie fühlt sich das an? Kommt dieser Erfolg überhaupt bei dir an?
„Es ist ein großartiges Gefühl und eine echte Ehre. Gleichzeitig weiß ich, wie stark die Konkurrenz ist. Solche Zeiten können jederzeit gebrochen werden. Das spornt mich an, weiter an mir zu arbeiten. Der deutsche Rekord ist für mich ein besonderer Antrieb. Gleichzeitig gönne ich anderen ihre Erfolge. Das WM-Silber von Amanal (Anm. d. Red.: Gemeint ist Amanal Petros, deutscher Langstreckenläufer, der bei der Leichtathletik-WM in Tokio Silber gewann) etwa hat mich sehr beeindruckt und inspiriert.“

Was sind deine persönlichen Strategien, um während eines Marathons mit körperlichen Herausforderungen wie Schmerzen, Durst oder Erschöpfung umzugehen?
„Ein Marathon ist immer eine körperliche und mentale Herausforderung. Ich versuche, aus jedem Rennen zu lernen und mein Tempo klug zu wählen. Die Verpflegung unterwegs ist entscheidend, genauso wie das Vertrauen in meinen Körper. Ich achte auch auf meine Verdauung und arbeite mit einem Psychocoach meines Sponsors On zusammen. Das hilft mir, mental stabil zu bleiben, wenn es hart wird.“
Gibt es bestimmte Rituale oder feste Routinen, die in deiner Vorbereitung auf keinen Fall fehlen dürfen?
„Ich bin kein Mensch für große Rituale, aber in den Wochen vor einem Rennen dreht sich alles um den Marathon. Mein Alltag ist dann komplett darauf ausgerichtet. Wichtig sind intensive Einheiten im Wettkampftempo und eine klare Struktur. Am Renntag selbst halte ich es schlicht: immer das gleiche Frühstück und ein halber Liter Zuckerwasser. Das gibt mir Sicherheit und Routine.“
Was waren die wichtigsten Gründe für deine Entscheidung, beim Marathon in Australien zu starten? Gab es bestimmte Kriterien? Was ist dein persönlicher Rückblick auf dieses Ereignis?
Für die WM in Tokio war ich qualifiziert, aber ich habe mich bewusst dagegen entschieden, um im Dezember in Valencia an einem weiteren Wettkampf teilnehmen zu können. Sydney war mein erstes großes Event dieser Art, ein echtes Highlight. Vor allem, weil Eliud Kipchoge am Start war. Auch wenn das Ergebnis nicht meinen Erwartungen entsprach, war es eine wertvolle Erfahrung. Jetzt habe ich die Chance, in Valencia noch einmal alles zu geben.“
Du nimmst regelmäßig an internationalen Laufveranstaltungen teil, was bedeutet es für dich, auch bei Charityläufen wie dem Spendenlauf in Gerolstein mitzulaufen? Welche persönliche Motivation steckt für dich dahinter, sportliches Engagement mit einem guten Zweck zu verbinden?
„Das bedeutet mir sehr viel. Ich bin selbst als Geflüchteter nach Deutschland gekommen und habe damals unglaublich viel Unterstützung erfahren. Heute möchte ich etwas zurückgeben. An die Menschen, die mich damals so offen aufgenommen haben. Auch wenn ich selten vor Ort bin, ist es mir wichtig, präsent zu sein und zu zeigen, dass ich mich verbunden fühle. Und ganz ehrlich: Es macht einfach Spaß, für einen guten Zweck zu laufen.“
Wenn du dich selbst als Läufer in nur drei Worten beschreiben müsstest, welche wären das?
„Elegant, fokussiert und smart. Mein Laufstil ist leicht und effizient, ich reflektiere viel und sehe jedes Rennen als Lernmoment. Dabei bleibe ich mir selbst treu. Ich möchte immer Samuel bleiben. Ich gehe mit meinen Kräften bewusst um, vermeide unnötige Risiken und ziehe aus jedem Wettkampf neue Erkenntnisse. Den Sydney-Marathon habe ich abgehakt und nehme viel mit für die Zukunft.“
Was möchtest du jungen Läuferinnen und Läufern mitgeben, die vielleicht auch einmal vor einer schwierigen Karriereentscheidung stehen wie du gerade?
„Bleibt euren Träumen treu und trainiert mit Leidenschaft. Hört auf euren Körper, vertraut euren Trainerinnen und Trainern und sammelt so viele Erfahrungen wie möglich. Fokussiert euch auf eure Ziele, auch wenn der Weg manchmal schwer ist. Mit Geduld und Klarheit kommt ihr weiter, als ihr denkt.“
Das Interview führte Carla Alt
Copyright: Roman Pawlowski Fotografie